Kritik zum Film "Mutter Mutter Kind" von Annette Ernst

Filmplakat Mutter Mutter Kind

 

Der Film "Mutter Mutter Kind" über eine Regenbogenfamilie von Annette Ernst ist seit Filmstart am 20.10.2022 in aller Munde und löst einen Sturm an Reaktionen aus. Hier ist unsere: 

Kritik des Films „Mutter Mutter Kind“ von Yana Barbknecht und Svenja Roß

für LEBEDO Dortmund - Psychosoziale Beratungsstelle für LSBTIQ* und ihre Angehörige

Der Film „Mutter Mutter Kind“ von Annette Ernst, der in letzter Zeit öfter auf Social Media beworben wurde und wird, begleitet über 12 Jahre hinweg eine Regenbogenfamilie und deren Angehörige. Zusätzlich zum Filmmaterial der Regenbogenfamilie bekommen die Zuschauer*innen kurze Interviewsequenzen mit unterschiedlichen Familienangehörigen, historische Fakten zum Frauenbild und Homosexualität, sowie Einspieler mit Schauspieler*innen zu sehen. 

Die Idee hinter dem Film ist eine gute. So zeigt dieser einen großen Teil des Lebens einer liebenden Regenbogenfamilie. Dabei wird der Gedankenprozess vor der Schwangerschaft und die Schwangerschaft selbst gut eingefangen und über unterschiedliche Möglichkeiten des Schwangerwerdens aufgeklärt. Die gezeigte Familie ist auch das, was den ganzen Film sehenswert macht. Sie lassen uns teilhaben und öffnen sich in intimen, nachdenklichen und bewegenden Momenten.

Diese Familie ist stark! Sie kann all denjenigen Menschen Hoffnung machen, die sich wünschen, eine Regenbogenfamilie zu sein oder zu werden. Sie ist ein berührendes Beispiel für gelebte Liebe und Verantwortung in Familien, sowie für Stärke und Wachstum. Die Kinder im Film übernehmen den beeindruckendsten Part und sorgen immer wieder für tiefe emotionale Berührung. Sie stellen jede stereotype, konservative, heteronormative, queer- und generell menschenfeindliche Äußerung in den Schatten. Dies stellt bei der Betrachtung des Films eine große Herausforderung dar, denn dieser ist durchsäht mit solch Äußerungen. So wird in den Sequenzen mit den Schauspieler*innen beispielsweise eine kritische Stimme zum Thema Regenbogenfamilien und eine nicht minder kritische Stimme eines gespielten Psychologens dargestellt. Dieser versucht mit Erfahrungen aus der Praxis und veralteten Theorien darzulegen, dass Regenbogenfamilien defizitär seien. Dies wurde nicht nur von den engagierten Schauspieler*innen geäußert, sondern auch von interviewten Personen, die der begleiteten Regenbogenfamilie nahe stehen.

Es wurde sich nicht einmal um eine wissenschaftliche Gegendarstellung bemüht und diesen Äußerungen unhinterfragt Raum geboten. Allein an der Entwicklung der Kinder über 12 Jahre hinweg können wir sehen, was Studien schon längst belegen: Kinder aus Regenbogenfamilien sind glücklich, selbstbewusst, sozial und empathisch. Sie stehen Kindern, die mit cis hetero Eltern bzw. in den klassischen Normvorstellungen einer Familie aufwachsen in keinster Weise nach. Zusätzlich wird im Film nicht nur die Frage „Was ist eigentlich Familie?“ aufgeworfen, sondern ständig thematisiert, dass eine Vaterrolle/männliche Bezugsperson fehlen müsse. Dabei wird immer von Heterosexualität als übergeordnete Norm ausgegangen. Außerdem wurde an mehreren Stellen des Films von unterschiedlichen Personen benannt, dass die sexuelle Orientierung eine Entscheidung sei und unkommentiert so stehen gelassen.

Zusätzlich durchzieht den gesamten Film die Reproduktion von Geschlechterstereotype, die ebenfalls nicht kritisch kommentiert wurden. Die Konfrontation mit Diskriminierung ist schon tagtägliche Realität und dieser Film führt genau dies fort. Es muss endlich aufhören, dass sich queere Menschen für ihr Leben rechtfertigen müssen. Es sollte außerdem darauf hingewiesen werden, dass der Film die Thematiken Queerfeindlichkeit, Gewalt und Homosexualität als kriminellen Akt und Krankheit behandelt und reproduziert.     

Es hätte ein empowernder Film für (zukünftige) Regenbogenfamilien, sogar die gesamte queere Community werden können und als feine Essenz tut er dies vielleicht auch. Es hätte lauter sein dürfen und müssen! Allein die begleitete Regenbogenfamilie, insbesondere die Kinder, schafft dies aber immerzu. Mit Blick darauf hat Annette Ernst es zwar geschafft, Sichtbarkeit für Diversität und darüber hinaus für die queere Community zu schaffen, aber die gewählte Umsetzung ist wie bereits beschrieben problematisch und dieser Eindruck bleibt im Nachhinein leider auch bestehen. Wir sollten daran denken, dass die Kinder von heute die Zukunft von morgen sind und eine Chance auf Veränderung darstellen. Wir brauchen mehr queere Menschen, die ihre Stimme erheben, mehr queere Sichtbarkeit und mehr Vorbilder! Wir sind auf einem guten Weg. Die Energie dieser positiven Veränderungen hätte dem Film als Aussage gutgetan.

 

 

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